Vielfach erhalte ich Anfragen von Menschen, die Cuy suchen, um selbst mit der Zucht zu starten. Da ich selbst erst im September 2019 mit dem Züchten begonnen habe, habe ich grundsätzliches Verständnis zur einen solchen Wunsch. Und wer mit mir diesbezüglich korrespondiert, kennt meine Hilfsbereitschaft. Leider kommt mir dabei bisweilen aber auch Kandidaten unter, die bereits seit X Jahren „züchten“, aber dennoch eine erhebliche Beratungsresistenz an den Tag legen, wenn ich bei dem Versuch, festzustellen, was denn die Zuchtziele des Gegenübers sind, um ihm kein für seine Zucht ungeeignetes Tier zu vermitteln, bemerke, dass er farb- und rassegenetischen Blödsinn treibt UND das nicht einsehen oder ändern will. Solche Menschen sind in meinen Augen „Vermehrer“ von Tieren, aber gewiss keine Züchter.

Dabei bin ich – im Vergleich zu anderen Züchtern – bereits ungemein verständnisvoll. Ich halte es für naturgegeben, dass Anfänger noch keine Ahnung haben können oder schlicht gern dreifarbige Tiere züchten möchten. Aber Menschen, die seit x Jahren bereits sinn- und hirnlos Tiere vermehren, die bei Tageslicht für die Zucht ungeeignet sind und meinen, hierbei auf Kenntnisse der Vererbung verzichten zu können (weil ihnen egal ist, was purzelt) und dann aber meinen, mich als „Vermehrer“ titulieren zu müssen, weil ich mehr als sechs Tiere in der Zucht habe und mehr als sechs Würfe pro Jahr – da geht mir die Hutschnur hoch.

Um mal die Begrifflichkeiten zu klären:
Ein Züchter ist jemand, der ein klares, sich auf Rasse und Farbe (ggf. Zeichnung) beziehendes Zuchtziel hat. Es ist hierbei sinnvoll, sich an den z.B. vom Züchterverband MFD festgelegten Standards zu orientieren. Ich strebe beispielsweise Cuy in der Rasse Glatthaar und in den Farben Weiß, Creme, Buff mit der Zeichnung California Schwarz d.e. an. Bei mir purzeln regelmäßig noch Tiere, die diesem Zuchtziel nicht entsprechen, was damit zu tun hat, dass leider die deutschen Glatthaar-Cuyzuchten mit rezessiven Locken-Gen-Trägern und Pink-Eye-Trägern durchzogen sind und ich den Kampf gegen die diesbezüglichen Windmühlen führe, denn ich möchte Tiere züchten, die nicht-nur-so-aussehen als ob sie Glatthaar d.e. wären (=Phänotyp), sondern auch genetisch tatsächlich reinerbig Glatthaar d.e. sind. Zudem sind meine Cremetiere im Vergleich zum Standard (Creme=“heller Dünensand“) noch viel zu dunkel und einige der Bufftiere haben noch einen Rotstich im Fell. Aber dafür ist ein Ziel eben da: Um gezielt darauf hinzuarbeiten. Im Laufe von Jahren.

Ein Züchter muss, um an seinem Zuchtziel erfolgreich zu arbeiten, mehr als zwei Tiere im Stall haben – schon allein aus Gründen der Vermeidung der Inzucht. Und – um nicht ständig neue Tiere von Außen mit ungeklärter genetischer Trägerlage (!) reinzuschleppen, kauft der nicht nach jedem Wurf ein neues Tier dazu, um Inzucht zu vermeiden. Sondern der hat da nach gewisser Zeit des Zuchtaufbaus einfach selbst 16-60 Tiere einer Rasse und einer Farbe sitzen, deren Verwandschaftsgrad es hergibt, sie ohne massiven Ahnenverlust oder Inzucht miteinander zu verpaaren und wirklich zielgerichtet an der Rasse, Farbe, Zeichnung und dem Körperbau feilen zu können. Da Meerschweinchen-Zuchtdamen, um einer Inflexibilität des Beckens vorzubeugen, aber mindestens jährlich einen Wurf haben müssen, hat ein solcher ernstzunehmender Züchter mehr als sechs Würfe pro Jahr.

Alle mir bekannten Züchter sind Hobbyzüchter in Hinblick darauf, dass sich damit kein Geld verdienen lässt, sofern man nicht seine Tiere frischfuttermäßig darben lässt und ihnen den Tierarzt vorenthält. Manche haben allerdings mehr als 99 Jungtiere pro Jahr und werden deshalb vom Veterinäramt geprüft. Ich mache mir hier den Spaß und erfasse meine Ausgaben. Bei im Schnitt 40 vorhandenen Tieren (inklusive Jungtieren) mache ich nach Abzug der „Verkaufseinnahmen“ pro Monat immer noch ein Minus von im Schnitt -350€. Wenn es gut läuft, weil z.B. kein Tier krank geworden ist und das Gemüse gerade günstig, sind es -250€.

Also: Überlegt es euch gut, ob ihr wirklich züchten wollt. Die Unkosten sind erheblich höher als die Einnahmen. Macht euch vorher schlau über Schimmel Letal Whites, Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen, Flaschenernährung, Geschlechtsbestimmung bei Jungtieren, sofortige erneute Fruchtbarkeit der Mütter nach Entbindung, Trennungsalter, Mindestalter bei Erstverpaarung, Maximalalter und Maximalwurfpausen bei den Damen.

Wenn ihr nicht nur sinnlos vermehren möchtet, sondern ernsthaft züchten, sind zudem umfassende Kenntnisse über Rasse- und Farbgenetik notwendig sowie die Erstellung und Pflege von Stammbäumen.

Sprecht eure Pläne bitte VORHER mit eurem Ehepartner/Lebensgefährten ab. Das ist nicht nur ein teures, sondern auch ein sehr zeit- und platzintensives Hobby mit dem Potential zu Auseinandersetzungen.

Menschen, die vorher schon wissen, dass sie knapp mit Geld, Zeit oder Platz für die Tiere sind oder „Rücken“ haben und niemanden an der Hand, der im Notfall (Erkrankung, Unfall, Urlaub), die Tiere länger versorgen kann, sollten gar nicht züchten (und überhaupt allenfalls zwei Tiere haben). Auch, wer kein Auto hat, um im Notfall schnell zur Tierklinik fahren zu können und nicht genügend Geld hat, um einen Notfallkaiserschnitt (inkl. vorheriger Untersuchungen außerhalb regulärer Sprechzeiten kann das 900€ kosten – kein Scherz!) und Kastrationen (pro Kastration mindestens 80€, je nach Nachsorge auch über 100€) oder aber auch sonstige langwierige Tierarztbehandlungen bezahlen zu können – sollten bestenfalls gar kein Tier haben, keineswegs Tiere auch noch vermehren. Macht euch klar, dass wenn das Muttertier stirbt (und das Risiko dafür liegt bei 5-20%, bei Anfängern eher 20%!) und ihr KEINE Amme parat habt, die Babys selbst alle 2-3 Stunden füttern müsst. Auch nachts. Auch werktags, wenn ihr zur Arbeit müsst. Auch, wenn ihr eigentlich verreisen wolltet. Ist diese Möglichkeit nicht gegeben, solltet ihr nicht züchten.

Man kann nahezu sicher sein, dass man nicht alle Jungtiere innerhalb von wenigen Wochen verkauft bekommt. Manche Tiere finden womöglich gar keinen Käufer. In Folge müssen z.B. separate Ställe für eine Jungbockgruppe vorrätig gehalten werden. Gerade letzteres machen sich „Och, wir möchten bloß einmal einen Wurf haben“-Kandidaten vorher zumeist nicht klar. Die sitzen dann „plötzlich“ auf einem Rudel Jungtiere, die sie, da keinerlei Stammbäume existieren, allenfalls niederpreisig an „Nachbarn“ loswerden können und dafür auch nur drei bis maximal Wochen Zeit haben, weil dann die Jungböcke von ihren Müttern getrennt untergebracht werden müssten, aber gar kein zweiter Stall vorhanden ist. Naiv und blauäugig wussten sie auch nicht, dass Damen direkt nach ihrem Wurf nachgedeckt werden können und hatten den Bock aus Bequemlichkeit bei ihr gelassen, kurzum: Der zweite Wurf ist bereits im Anmarsch! Für solche „Aktionen“ haben seriöse Züchter keinerlei Verständnis.

Komme ich zurück auf jene, die das gar nicht so groß aufziehen wollen, sondern schlicht aus Spaß an Babys Tiere vermehren möchten. Und dies im überschaubaren Rahmen. Auch für diese gilt das meiste der bereits genannten Dinge: Macht euch vorher schlau über Schimmel Letal Whites, Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen, Flaschenernährung, Geschlechtsbestimmung bei Jungtieren, sofortige erneute Fruchtbarkeit der Mütter nach Entbindung, Trennungsalter, Mindestalter bei Erstverpaarung, Maximalalter und Maximalwurfpausen bei den Damen. Habt Reserveställe parat für unverkaufte Jungböcke. Legt für jeden Wurf 1200€ finanziellen Sicherheitspuffer an für die Kosten eines eventuellen Notfall-Kaiserschnitts und die Kastration von den Böcken. Wird dieser Puffer nicht verbraucht, kann er natürlich erneut für den nächsten Wurf herhalten. Besorgt euch Anschrift, Telefonnummer und Öffnungszeiten der nächstgelegen (Klein-)Tierklinik für eventuellen Notfall. Besorgt vorher schon geeignetes Milchpulver und Fläschchen.

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