„GGW“ heißt Geburtsgewicht. Bei Cuy liegt dieses gemäß Literatur bei 80-250g und ist im wesentlichen abhängig von der Wurfgröße. (Sieht man einmal von dem seltenen Fall überlebender Frühgeburten ab). Zum Vergleich: „normale“ Meerschweinchen wiegen bei der Geburt zwischen 60-120g.

Nun unterscheiden sich Cuy ja primär hinsichtlich ihrer Größe von „normalen“ Meerschweinchen. Es liegt also allen Cuy-Züchtern mehr oder minder daran, dass die von ihnen gezüchteten Tiere dann auch tatsächlich größer werden, als „normale“ Meerschweinchen. Um frühzeitig beurteilen zu können, ob dies dann auch tatsächlich der Fall sein wird, legen sie oft das Geburtsgewicht zu Grunde. Zwar hat sich in einer Studie gezeigt, dass es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen Geburtsgewicht und Endgewicht gibt. Dennoch berichten Züchter immer wieder davon, dass sie durchaus Tiere mit „nur“ 100g Geburtsgewicht hatten, die dann dennoch 2,5kg oder mehr an Endgewicht erreichten (=eindeutig Cuy), wohingegen andere mit über 200g geboren wurden, die dennoch bei 1,5 kg stehen blieben (=könnte auch ein sehr fettes normales Meerschweinchen sein).

Entscheidender als das Geburtsgewicht ist also möglicherweise die Gewichtsentwicklung während der ersten Lebenswochen. Die Empfehlungen für südamerikanische Cuyzüchter besagen, dass zur Zucht nur solche Tiere ausgewählt werden sollten, die bei Geburt über 150g wiegen, am 15. Tag mind. 300g, im Alter von 4 Wochen 500g, im Alter von 8. Wochen 900g – tägliche Gewichtszunahme im Schnitt 15g.

Dabei legen sie aber auch eine Wurfgröße von maximal drei Jungtieren zugrunde. Da das Geburtsgewicht der einzelnen Jungtiere aber eng mit der Wurfgröße zusammenhängt, verliert zumindest bei Wurfgrößen >3 Jungtieren (Totgeburten werden mitgezählt) die Gewichtsgrenze von 150g Geburtsgewicht ihre Aussagekraft. (Ein Rechenexempel: Drei Cuy-Jungtiere von im Schnitt 165g Geburtsgewicht ergäben eine „Zuladung“ der Mutter am Ende der Schwangerschaft von knapp 500g. Teilt man nun die 500g aber durch vier Jungtiere, ergäben sich etwas über 120g pro Jungtier; bei 5 Jungtieren nur noch knapp 100g pro Jungtier usw. – allerdings habe ich auch schon Schwangerschaften von knapp 900g „Zuladung“ erlebt, wo die sechs Jungtiere im Schnitt 140g Geburtsgewicht erreicht hatten – die Streuung lag bei 112-172g).

Da sich zwar die Milchmenge, die eine Sau produziert, bei größeren Würfen steigert, so lässt sie sich doch nicht beliebig steigern. Bei Würfen von fünf oder mehr Jungtieren dürfte es die Regel sein, dass die kleinsten Jungtiere Schwierigkeiten haben, sich gegen ihre kräftigeren Geschwister beim Buhlen um insgesamt nur zwei Zitzen erfolgreich durchzusetzen. Dies bedeutet, dass auch die Gewichtsgrenze von 300g nach 15 Tagen bei Würfen von fünf oder mehr Jungtieren kaum von allen Jungtieren erreicht werden kann. Auch das hat dann immer noch keine Aussagekraft dazu, welches Endgewicht diese Jungtiere dann erreichen werden. Stehen sie von ihrer Nahrungsaufnahme schließlich „auf eigenen Beinen“, kann es gut sein, dass ihre weitere Entwicklung deutlich besser verläuft und sie den Rückstand aufholen. Viele Züchter „schieben“ bei solch großen Würfen die sozusagen „überzähligen“ Jungtiere auch einer mit eigenen Jungtieren „unausgelasteten“ Amme unter, um die Milchversorgung dieser Jungtiere zu verbessern und die leibliche Mutter der Jungtiere zu entlasten. In einem solchen Fall wäre zu erwarten, dass sich die Milchversorgung der untergeschobenen Jungtiere verbessert und auch ihre Gewichtsentwicklung besser verläuft.

Um beurteilen zu können, wie die Gewichtsentwicklung verläuft, scheint (besonders bei größeren Würfen mit >3 Jungtieren, bei Frühgeburten, bei Jungtieren von Müttern, die vielleicht eine schlechte Milchproduktion hatten) am aussagekräftigsten der Schnitt der täglichen Gewichtszunahme zwischen dem Absetzalter und der achten Lebenswoche zu sein.

Nun „schielen“ ja viele Cuy-Neulinge hinsichtlich des Endgewichtes, welches sie von ihren Tieren erwarten, gleichfalls nach Südmarika. Auch wenn sie wissen, dass die Zucht der besonders großen südamerikanischen Rasse „Cobayos“, die angeblich bis zu 4 kg erreichen, in Deutschland fehlgeschlagen ist (d.h. die wenigen importierten Tiere brachten keinen Nachwuchs), erhoffen sie sich dennoch ein Endgewicht von um die 3 kg von ihren Tieren. Oft sind sie dann enttäuscht, wenn nur 1,6-2,6 kg erreicht werden. Die „hohen Gewichtsklassen“ in Südamerika werden aber auch dadurch erzielt, dass die Masttiere in Buchten von 30x45cm oder kleiner eingesperrt werden, vorne fressen, hinten kacken und keinerlei Bewegung erhalten, also wirklich zielgerichtet gemästet werden. D.h. ihr „hohes“ Gewicht hängt nicht nur mit ihrer genetisch verankerten Größe zusammen (auch wenn sie natürlich schon größer sind, als normale Meerschweinchen), sondern primär mit der Form ihrer Haltung!

Welche Tiere wurden denn nun nach Deutschland importiert? Erinnern wir uns: Die besonders großen „Cobayos“ wurden zwar importiert, verstarben aber ohne Nachwuchs, d.h. es gibt keine solchen Tiere in Deutschland. Was hingegen erfolgreich importiert und hierzulande gezüchtet wurde, waren (im Vergleich zu den Cobayos) kleinere Tiere, zudem zumeist solche, die eine besondere Fellstruktur oder Fellzeichnung aufwiesen, die es hierzulande zuvor nicht gegeben hatte (Beispiel: Californias, Felpas/Wollys). Es ist sehr gut möglich, dass bei der Auswahl der importierten Tiere dann sogar die Wahl gezielt auf nicht zu große, in jedem Fall aber nicht zu fette Tiere fiel. Denn es ist bekannt, dass genau jene Cuy, die ganz besonders schnelle Gewichtszunahme im Jugendalter zeigen, eine reduzierte Lebenserwartung im Vergleich zu langsamer wachsenden Cuy haben und oft nur 2 Jahre alt werden. Da das Zuchtziel in Deutschland aber nicht die Produktion von möglichst schnell wachsenden Masttieren zum Verzehr ist, sondern die gewünschte Lebenserwartung bei deutlich >3 Jahre liegt, liegt die Vermutung nahe, dass keine „3kg Tiere“ importiert wurden, sondern eher „2,5 kg Tiere“.

Aus Tieren, die aber genetisch sozusagen „nur“ die 2,5 kg tragen, kann man nur schwerlich 3 kg Tiere „zaubern“ (sofern man sie nicht mästet, was aber auch nichts an der genetischen Disposition ändert!).

Hinzu kommt, dass nach dem Import aus Südamerika sowohl Cuys in normale Meerschweinchenzuchten hineingekreuzt wurden (so stammen alle Meerschweinchen der Fellzeichnung California von Cuy ab) als auch Meerschweinchen in Cuyzuchten (um vorhandene Farb-/ und Rassevielfalt der Meerschweinchen auch auf Cuy zu „transferieren“). Ich halte es vor diesem Hintergrund für möglich, dass es kaum „reine“ Cuytiere in Deutschland gibt. Ich weiß aber auch von Züchtern, dass sie ihr Hauptaugenmerk darauf richten, keine normalen Meerschweinchen und keine Hybriden (Kreuzung Cuy-Meerschweinchen) in ihre Zucht zu holen und dass deren Tiere tatsächlich im Schnitt größer ausfallen als bei jenen Zuchten, wo es zur Vermischung mit normalen Meerschweinchen gekommen ist. Kreuzt man Cuy mit normalen Meerschweinchen (die Dame muss zwinglich das größere Tier sein, da es sonst zu erheblichen Geburtskomplikationen kommen kann), bezeichnet man das Ergebnis als F1 „Hybrid“. Kreuzt man dieses Tier erneut mit einer Cuydame, entsteht F2 usw., wobei man bei ab F4 wieder davon ausgeht, es handle sich wieder um ein „echtes“ Cuy. Das ist vererbungstechnisch aber Unfug. Da stecken dann genetisch immer noch statistisch 6,25% Anteile eines normalen Meerschweinchens drinnen. Auch daher erklärt es sich, dass in Cuyzuchten in Deutschland immer mal wieder genetisch die geringeren Größen von potentiell vorhandenen Meerschweinchenvorfahren durchschlagen können.

Da die Cuys nur als Einzeltiere importiert wurden und nie in größerer Stückzahl, wohingegen an normalen Meerschweinchen kein Mangel herrscht, wird hinsichtlich der Größenentwicklung der „Meerschweinchenanteil“ in den Cuyzuchten tendenziell leider immer größer werden – und die Tiere tendenziell immer kleiner. Hier arbeiten die Cuy-Züchter allerdings gezielt gegen an, wenn sie zur Zucht nur möglichst große Tiere einsetzen – beziehungsweise Tiere, die definitiv nicht die (persönlich definierte) „Mindestgröße“ erreicht haben, von der Zucht zumeist ausschließen.

Da es die Größe ist, die Cuy überhaupt erst zu Cuys macht (es käme wohl kaum jemand auf die Idee, dass das, was ein Cuy zu einem echten Cuy macht, völlig überdrehte Nerven sind) wäre es wohl sinnvoll, im Standard (den es noch nicht gibt) eine Mindest-Gewichtsgrenze einzuführen, ab der Cuy als Cuys gelten. Martha (welche eine ausgezeichnete Expertise auf dem Gebiet der Cuyzucht hat) schlug in einem Forum als Grenzwert 1,8 kg als Mindestgewicht eines ausgewachsenen Tieres vor. Dabei bezog sie sich sicherlich auf ein ungemästetes Tier. (Sinnvoller als eine Gewichtsangabe scheint eine Größenangabe).

Nicht alle Tiere, die derzeit in Cuy-Zuchten eingesetzt werden, haben dieses Mindestgewicht. Zudem ist bei Cuy-Damen, die erstmalig zur Zucht eingesetzt werden, wenn sie mindestens 1 kg erreicht haben, die weitere Gewichtsentwicklung ja auch nicht hundertprozentig sicher. Möchte man also das Augenmerk seiner Zucht darauf richten, Cuys zu züchten, die sich von ihrer Größe her deutlich von normalen Meerschweinchen unterscheiden, dürften die Endgewichte, welche die Eltern der Zuchttiere erreichten, im Fokus stehen. Auch würde man Zuchtböcke sinnvollerweise wohl erst dann einsetzen, wenn sie die 1,8kg Marke „geknackt“ haben, was seltenst im Alter von 4 Monaten, in der Regel eher erst mit 8 Monaten der Fall sein dürfte beziehungsweise der Fall sein sollte, denn Tiere, die zu schnell zulegen, haben ja wiederum eine deutlich verkürzte Lebenserwartung.

Dies hätte natürlich Auswirkungen auf die „Stalllogistik“, denn wenn sich erst im Altern von 8 Monaten entscheidet, welcher der Böcke zur Zucht eingesetzt werden kann, erhöht sich naturgemäß die Anzahl der zunächst vom Züchter behaltenen und nicht zur sofortigen Abgabe vorgesehenen Böcke. An der Stelle wird es nun knifflig, denn Böcke lassen sich gemeinhin nur verkaufen, wenn sie entweder noch jung genug sind, um sich zunächst problemlos in eine vorhandene Bockgruppe zu integrieren (was dann drei Monate später passiert, wenn der Jungbock ins Rüpelalter kommt, lässt sich nicht voraussehen) oder eben kastrierte ältere Tiere. Die Erlösspanne bei kastrierten Böcken liegt aber im negativen Bereich, denn die Gebühren für Kastrationen liegen bei inzwischen 60-120 Euro, wohingegen für Kastraten niemand mehr zahlen möchte, als maximal 60 Euro.

Wartet man also als Züchter die Gewichtsentwicklung der Böcke ab, geht das ins Geld und man braucht auch „mehr“ Platz für Bockgruppen. Unproblematischer scheint es, erst im Nachhinein sicher zu wissen, welches Endgewicht die Elterntiere erreichten und die Erstverpaarung auf Verdacht hin vorzunehmen beziehungsweise in Hinblick auf das erreichte Endgewicht der Großelterntiere. Für Cuy könnte es, wenn es nicht das Problem der „zu fetten“ Tiere gäbe, also sinnvoll sein, Gewichtsangaben in Stammbäume aufzunehmen. (Größenangaben scheinen sinnvoller, aber da müsste man sich zunächst auf eine Norm zur Vermessung einigen).

Es ist also aufgrund der Ausgangslage (genetisch hängen in der Größe fast überall bereits Meerschweinchen mit drin) und der Rahmenbedingungen (niemand hat unbegrenzt Platz und Geld) ein mühsames Unterfangen. Dennoch sollten die dargelegten Fixpunkte berücksichtigt werden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert